Free Walking Tour Santiago
published onDer Stadtrundgang in Santiago teilt sich quasi auf in den Teil, den ich selber gemacht habe - und den mit einem Mapucho, der die auf Trinkgeld basierende "Free Walking Tour" auf Englisch geführt hat. Die Infos überschneiden sich etwas, da geh ich aber nicht extra drauf ein. Der Guide fühlt sich auch eher als Chilene denn als Mapucho, studiert als Einziger aus seiner ganzen Schule an einer öffentlichen Universität in Santiago.
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Vom Hostel aus hatte ich vor, zuerst durch den zentralen Park (Parque forestal?) am "Museum of Contemporary Art" vorbei zu einem Fahrradverleih zu laufen, um mir eben eins auszuleihen. Santiago de Chile ist recht flach, quasi ein großes Tal mit Bergen an den Rändern. Wie ihr wisst, sind hier gerade viele Proteste gegen die Regierung im Gange, entsprechend sieht es auf den Straßen auch aus. Auf der zentralen Proteststelle "Plaza Italia" und der großen Hauptstraße sind z.B. alle Ampeln defekt, Polizisten bemühen sich redlich, den Verkehr von Hand zu lenken - aber schon bei der Ankunft hatte ich ja bemerkt, dass das allein schon, vor allem im Berufsverkehr/während der Proteste, zu Staus und Wartezeiten führt. Zu Fuß bzw. mit dem Fahrrad ist man noch am besten unterwegs.
Leider war das mit dem - auch vom Hostel-Chef Ivan empfohlenen - Fahrradverleih nix, zwar brannte Licht, aber keiner da - auch bei einem späteren zweiten Versuch am Nachmittag nicht, als ich da nochmal vorbei gekommen bin. Auch das Museum für zeitgenössische Kunst hat zu. Also gehe ich weiter zum Park/Hügel Cerro Santa Lucia mit dem verfallenden Castello Hidalgo. Am Eingang ein Polizist im Häuschen: man braucht sich aber nur in ein Besucherbuch eintragen. Über verschlungene Pfade geht es vorbei am Castello zum Torreon Mirrador (Aussichtsturm).
Es gibt auch noch eine Kirche - aber wie vieles hier, mit großen Metallblechen verschlossen. Immerhin gibt es oben einen guten Rundumblick. Man hört aus den angrenzenden Straßen immer wieder rhytmisches Trommeln, Pfeifen, bestimmte Tonfolgen der Protester, auch Sirenen und gepanzerte Polizeifahrzeuge sind zu hören/sehen. Video -> Ton an!
Da ich einen anderen Ausgang vom Park verwende, komme ich an einem Schlößchen mit Springbrunnen sowie einem angrenzenden Gebäude vorbei, wo sinngemäß "Indio-Markt" am Eingang steht. Der ist innen wie eine Höhle gestaltet - mit verschiedenen Ständen in den Nischen, wo es alles gibt, was das Touri-Herz begehrt, aber vor allem Mapucho-Produkte. Für 8€ erstehe ich ein T-Shirt, dass den Mapucho-Führer Lauterro zeigt, wie ich später erfahre. Während der Kolonisation hat dieser sich 5 Jahre lang von einem Spanier im Reiten, in der Kriegsführung etc. ausbilden lassen, dann dessen sämtliche Pferde geklaut und mit den Mapucho-Kriegern eine Armee aufgestellt, die nun dieselben Waffen und Strategien wie die Spanier nutzen konnten und diese dann vernichtend geschlagen haben.
Dann komme ich zur Kirche Iglesia de San Francisco und dem angrenzenden Museum der Kolonialkunst von San Francisco - ein Convent. Die Kirche ist bei einem früheren, großen Erdbeben als einziges Gebäude der Stadt stehen geblieben. Danach wurden alle Gebäude viel besser Erdbeben-sicher gebaut. Drinnen darf man nicht fotografieren - und da ich dort zufällig mal wieder WLAN habe und erstmal was klären muss, komme ich zum Start des Stadtrundgangs 10 min zu spät zum Plaza de Armas. Was nix macht - es wird eh noch 15 min gewartet, ob noch mehr Leute kommen, und selbst als wir schon auf dem Platz unterwegs sind, stellen sich noch andere zum gut am roten T-Shirt erkennbaren Guide dazu.
Im Laufe des Rundgangs kommen wir immer wieder an oder auf einer bemalten Straße vorbei - laut Guide die längste bemalte Straße der Welt. Die Unterführung ist allerdings - wie viele Metrostationen - geschlossen. Der Guide erzählt uns viel über Salvador Allende, den damaligen Putsch, Pablo Neruda als Chef der Kommunistischen Partei, es gibt auf einem Straßenmarkt einen Stand mit Fotos, wo wir Bilder mit Allende, Fidel Castro, auch Pinochet mit Allende von vor dem Putsch - gezeigt bekommen. Mir helfen natürlich die Schulkenntnisse aus dem Osten, die anderen beiden Deutschen/Schweitzer wissen nix und meinen, sie haben in 9 Jahren Schule nur Geschichte von der Nazizeit gehabt ...
Die aktuelle Staatsform ist eine präsidiale, d.h. der Präsident hat die Macht, so etwa wie in den USA - und der Kongreß eher weniger. Daher wird gerade versucht die Verfassung zu ändern, das Renten- und Sozialsystem etc. zu verbessern. Es gibt jeweils ein öffentliches und ein privates - die privat Versicherten bekommen eine OP innerhalb 1-2 Tagen, bei den öffentlichen kann es 1-2 Jahre dauern - im letzten Jahr sind wohl über 20.000 Leute beim Warten auf eine OP gestorben, wenn ich mir die Zahl richtig gemerkt habe. Da der Guide selber ein Mapucho ist, kommt er während seiner Erzählungen (insgesamt waren es über 4 Stunden) natürlich auch immer wieder auf die Proteste und deren Hintergründe zurück.
Nach einer halbstündigen Pause in einem Restaurant mit für die Tour vergünstigten Preisen gehen wir von einem Straßenmarkt (mit durchaus auch offen per Papptafel angepriesen illegalen Sachen) weiter an den Demos vorbei durch den Patio Bellavista zu einem der Häuser von Pablo Neruda. Auch davor sind gerade 2-3 Leute mit dem Anfertigen von Transparenten und besprühen von Wänden beschäftigt. Der Guide bemüht sich zwar, die Demo und vor allem die Polizei möglichst zu umgehen. Aber etwas Tränengas ist wohl doch in der Luft - er meinte zwar, das sei von vorherigen Tagen und bleibt in der Wiese etc. hängen, aber da ich heute früh schon mal den Platz überquert und nichts davon gemerkt habe, wird es wohl eher am Wind aus Richtung Demo liegen. Auf den Straßenmärkten werden übrigens auch überall Augenschutz, Masken, Trompeten, Fahnen und Ähnliches angeboten.
Am Weg kommen wir noch an einer Bar vorbei, die in "Bestes von Clinton" umbenannt wurde, wo der damalige Amerikanische Präsident, gern mal am Protokoll vorbei, von der gegenüberliegenden Veranstaltung statt zum Auto in die Bar ging, um etwas zu Essen und zu Trinken. Natürlich stehen die von ihm benutzten Gläser nun hinter Glas ... :) Auch interessant, wenn ich mir die aktuelle Diskussion in Deutschland zu Homöopathie so anschaue: hier gibt es gleich einen ganzen Laden für Homöopathie neben der Apotheke ... Die Veranstaltungen in der Oper sollen recht preiswert sein - schon ab 5US$ gibt es wohl Karten.
Nach dem Patio Bellavista erklärt unser Guide einen weiteren Teil der chilenischen Küche an seinem Lieblingsrestaurant:
Auf dem Heimweg komme ich wieder am schlammigen Fluß vorbei - und einer mit Schlössern vollgestopften Brücke. Die Telefonleitungen in den südlichen Ländern sind auch immer wieder sehenswert :)
Leider hab ich dann abends noch ein böses Erwachen - gegen 9 ziemlich müde vom Tag und sicher auch Rest-Jetlag, zeitig im Bett gewesen, nach 12 wieder aufgewacht - und das Zimmer stinkt so nach Zigaretten-Rauch von der Terrasse, dass ich erstmal flüchte und den Menschen vom Hostel nach einer Alternative frage. Er hat allerdings super reagiert, mir einen Tee gemacht, die anderen gebeten sich zum Rauchen in einen anderen Teil des Hofes zu gehn. Heute früh hat sich dann rausgestellt, dass das eine Frau dasselbe Problem hat, vielleicht haben sie dann vor ihrem Zimmer gequalmt - wer weiß. Da lobe ich mir Neuseeland und Japan - Rauchen auf der Straße verboten bzw. nur in ausgewiesenen Plätzen erlaubt, oder es stehen entsprechende Strafen auf's Kippen wegwerfen, entsprechend sauber ist es überall.
Aber es hat auch sein Gutes - in der Nacht komme ich noch mit Ron ins Gespräch, aus Tel Aviv, der seit 18 Jahren in London lebt. Er hat dort seine Firma an die Ex verkauft und bekommt Einkünfte vom gemeinsamen Haus, wenn ich das richtig verstanden habe - und kann so in der Welt umher reisen. Ach ja, ich hab dann mal wieder paar Brocken Russisch von mir gegeben - zwei Russinnen aus Nowosibirsk sind auch hier, die im Dezember dann nach 9 Monaten Südamerika wieder zu -40° Kälte zurück kehren werden ... :) Vorher müssen sie ihren Van verkaufen - für ungefähr 7800US$, deswegen sind sie in Santiago. Die Papiere für die Neuseeländer mit dem anderen Van sind im Übrigen immer noch nicht da ... sie wollen den auch verkaufen, was aber ohne nicht geht.
Heute hab ich Ivan vom Hostel dann nochmal gefragt wegen anderem Zimmer bzw. Upgrade. Er hat mir inzwischen kostenlos ein privates Zimmer in Aussicht gestellt, weil jemand abgesagt hat - das bekomme ich zumindest bis Sonntag, und dann wird für die Nacht zum Montag sicher nochmal ein Bett in einem Mehrbettzimmer frei.
Übrigens meinte er gestern, seine Hostel-Webseite macht er eventuell zu, als ich ihn auf einen kaputten Link angesprochen habe. Für die Kosten, die er damit hat, gibt es zu wenige Buchungen darüber: vielleicht 10 pro Jahr. Es ist klar, dass die großen Vermittler wie booking.com, hostelworld, tripadvisor etc. viel besser über die Suchmaschinen gefunden werden... aber Links und eigene Infos sind ja auch wichtig. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass er die Seite nicht selbst bearbeiten kann.
Beim Versuch, mir für Montag ein Transvip Shuttle zum Flughafen zu bestellen, sprangen mich dann beim Abschicken vom Formular nur noch PHP-Fehler an ... alles nicht so einfach hier. Mal sehn, ob meine alternative Anfrage via Facebook erfolgreicher ist. Update: per App ging auch nicht, aber Browser auf dem Handy hat dann funktioniert.
Unterkunft: Ventana Sur Hostal